Donnerstag, 21. März 2019

Wird sich das irgendwann noch mal ändern?

Als wir neulich am Samstagmittag eine größere Hauptstraße entlangfuhren, verlangsamte sich für einen kurzen Moment der Verkehr. Zunächst dachten wir, es sei ein Verkehrsunfall. Beim langsamen vorbeifahren dann aber sahen wir, dass ein Auto mit offenen Türen auf dem rechten Fahrstreifen dastand und davor ein Polizist gerade einen Mann im Schwitzkasten niederrang. Daneben standen zwei weitere Leute (wahrscheinlich auch aus dem Auto) und ein weiterer Polizist, die ziemlich unbeteiligt danebenstanden. Insgesamt wirkte die Szene ziemlich grob und übergriffig, aber es machte den Eindruck, als sei dies nicht ungewöhnlich. Generell ist Gewalt hier ein anders gefühltes und gelebtes Thema. Wenn man durch die Stadt fährt fällt natürlich auch sofort auf, dass das private Leben streng getrennt von den öffentlichen Straßen stattfindet. Hohe Mauern, Kameras, Stromzäune, Sicherheitspersonal ist allgegenwärtig. Selbst in unserem Miethaus gibt es einen Stromzaun und an der nächsten Straßenecke sitzt ein Wachmann, dem man ein bisschen Geld gibt, damit er die Einfahrten der anliegenden Häuser beobachtet.
Im Zuge des Amoklaufs in São Paulo war ebenfalls Interessantes feststellbar. Zunächst hat man glücklicherweise wenig Erfahrung mit solchen Vorfällen in Brasilien. Das Medienecho war groß und sämtliche Fußballspiele wurden mit Schweigeminuten begonnen. Im Gespräch mit Schülern zeigt sich neben der Betroffenheit aber auch immer wieder die Einstellung, man müsse sich ja gegen solche Täter schützen können, indem man sich selbst bewaffnet. Wasser auf die Mühlen der hiesigen Regierung. Und wenn man diese Condomino-Gesellschaft weiterdenkt, müsste man statt die Ursachen zu bekämpfen, sich nur noch mehr abschotten, sodass am Ende Reichen- und Armenghettos existieren. Quasi Distrikte wie bei den Hunger Games.
Das ohnehin schon angeschlagene Sicherheits-Image Südamerikas wird durch solche Aktionen nicht gerade aufpoliert. Nun ist es aber ähnlich wie eine Reise nach Australien. Zunächst hat man im Blick, dass es von den 10 giftigsten Tierarten der Welt allein 8 in Australien gibt. Und wie viele Menschen dort von Haien und Krokodilen attackiert werden - Hallelujah. Dann ist man dort und es springen einen nicht sofort die Giftschlangen und Quallen an. Wenn man aufmerksam ist und ein paar Regeln beherzigt, dann funktioniert ein Leben ziemlich gut – so auch hier. Ich will die erhöhte Gefahr hier in Brasilien gar nicht kleinreden, aber es wird auch viel geschürt. 
Das Condomino als Ort der physischen Sicherheit hat sicher seine Daseinsberechtigung und existiert auch nicht ohne Grund. Es ist aber auch Ausdruck einer anderen sozialen Schicht. Schaut her, ich habe (endlich / schon immer) mehr als ihr und muss mich deshalb vor euch schützen. Irgendwie nachvollziehbar, aber auch paradox, wenn man seinen neuen Wohlstand dann doch auch nicht zeigen kann, sondern hinter Mauern verbirgt. Eine Art selbstverschuldete bzw. -gewollte Unfreiheit. Das wird sich auf absehbare Zeit auch wohl nicht ändern…

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