Montag, 5. Oktober 2020

Gelegenheiten

 Die Gelegenheiten sind da und es wäre doch schade, diese nicht zu nutzen. Und einen Bootsführerschein kann man immer mal gebrauchen. So saßen wir dann bei brütender Hitze (es ist immer noch Winter in Brasilien) in einem etwas vermölten Clube an der Represa und lernten dies und das über Nautic kennen. Die Krönung war die "praktische Prüfung", die zumindest Zweiteres nicht verdient. Jeder von uns musste einmal Gas geben und auf ca. 1,5 Knoten beschleunigen, ein bis zwei Kurven fahren - fertig! Gleiches galt dann für den Jet-Ski, den wir mit diesem Führerschein auch fahren dürfen. Jetzt müssen demnächst nur noch die Theorieprüfung bestehen, aber dafür gibt es vielleicht auch ein "Jeitinho brasileiro" (brasilianische Lösung). Was es dann bedeutet, mit einem Boot über die Represa zu fahren, konnten wir mit Willi ausprobieren (Willi Müller, ein echter Mexikaner und gehört zu der Interlagos-Clique). Steffen flog mit dem Wakeboard übers Wasser. Aber das Highlight war ohne Frage unsere nächtliche Ausfahrt. Spiegelglatter See, die Ufergrenze spiegelte sich wie auf einem Foto im See und wir flogen nur so dahin. Dazu Caipirinha, brasilianische Musik und euphorisierte Ausflügler - Fantastisch!!!

Die Represa lernten wir eine Woche zuvor auch noch von einer anderen Seite kennen - buchstäblich. Denn wir haben einen Ausritt auf der anderen Seite gemacht und passierten dabei protzende Anwesen mitten im Regenwald mit Blick über den See, was schier unglaublich ist, wenn man bedenkt, dass dies nur die innere Peripherie ist und weiter stadtauswärts noch ein paar Millionen Menschen leben.

Apropos reiten: Die große Leidenschaft der Familie nimmt ungeahnte Ausmaße an. Nicht nur, dass wir bei einem Tambor-Workshop infernales Reiten erleben durften (wirklich, wir sind im gestreckten Galopp um die Tonnen geheizt, Staub, Adrenalin, Wahnsinn!). Nicht nur dass Lena nun eine (kostenlose) Reitbeteiligung mit einem tollen Allround-Pferd hat. Nein, die Gelegenheit war da und nun ist sie da: Linda Fly. Ein Quarterhorse, spezialisiert auf Tambor, mittelgroß, kräftig, genügsam aber auch sehr flink (also eigentlich so wie ich 😉). Und ein unfassbares Preis-Leistungsverhältnis, weshalb wir uns mit einer anderen Familie aus Deutschland, die seit ein paar Monaten in SP lebt, für einen Kauf entschieden haben. Nach zwei Katzen haben wir nun ein (halbes) Pferd und demnächst können Steffen und ich "Ex-Zonis zoologischen Zoten-Zoo" gründen. Kurzum: die Familie verbringt nun viel Zeit mit Pferden.

Und dann sind da auch noch die Gelegenheiten in der Schule. Und dies nimmt manchmal ebenfalls ungeahnte Ausmaße an. Kurz nach Steffens Amtsantritt hier am Colégio Humboldt starteten wir sogleich unser erstes gemeinsames Projekt: Laufen um die halbe Welt. Die Idee war, alle Schüler, Lehrer und Mitarbeiter der Schule während der Zeit der Distanz zum Laufen zu bringen und in der Zeit vom 3. September bis 3. Oktober (!) gemeinsam die Entfernung zwischen Interlagos und Berlin zu überwinden. Insgesamt also mindestens 10.247 km. Aus einer kleinen Idee wurde ein großes Schulprojekt, mit dem tollen Effekt, dass nicht nur die ganze Gemeinschaft aktiviert wurde, sondern auch zu Spenden für ein gemeinnütziges Projekt in einer Favela aufgerufen wurde. Unterstützt wurden wir unter anderem vom deutschen Generalkonsulat in SP, der brasilianischen Botschaft sowie dem Humboldt-Forum in Berlin und - als kleines Highlight - lief unser Projekt sogar im Hauptnachrichtenblock auf "Band News", einem der größten Nachrichtensender Brasiliens. Dass wir in den letzten Wochen vor stundenlangen Planungen, Konferenzen, Video-Drehs, teils chaotischen Absprachen mit vielen Beteiligten und auf vielen Sprachen zwischendurch nicht mehr wussten, wie wir heißen, sei dabei auch erwähnt. Aber es zeigt wieder die unfassbare Fülle an Möglichkeiten und Gelegenheiten hierzulande, die man manchmal einfach ergreifen muss. 

Ein kleines Anekdötchen darf natürlich auch nicht fehlen: Für unsere Abschlussveranstaltung dieses Projektes zum 3. Oktober haben wir ein Live via Streamyard auf Youtube geplant, wo wir mit vielen verschiedenen Menschen aus der Schule und außerhalb der Schule (auch in Deutschland) die "Ankunft" in Berlin feiern wollten. Vieles konnte erst am gleichen Tag organisiert werden, sodass die Zeit denkbar knapp war. In diese Stressphase fiel am Abend vorher die Anfrage von bereits erwähntem TV-Sender "Band News", ob ich nicht als deutscher Geschichtslehrer und Mitorganisator des Projektes ein Interview dazu machen könnte. Ich? Auf Portugiesisch? Um 9 Uhr, wenn wir um 11 Uhr schon unsere Live-Show haben? Naja, ich hätte Nein sagen können. So kamen dann aber zwei Mediengesellen nach Hause, wir redeten ein bisschen über den 3. Oktober usw., zwischendurch wechselten wir dann ins Englische und am Ende habe ich eine Mixtur aus allen mir zur Verfügung stehenden Sprachen rausgehauen, was zu Allgemeinem Frohsinn und herzlichstem Lachen führte (unter anderen Umständen hätte ich ja beleidigt sein können, aber nicht bei so entspannten Brasilianern). Noch am selben Abend warteten wir gespannt vor dem TV auf den Beitrag und siehe da: Unser Laufprojekt ist in den Hauptnachrichten in Brasilien, unsere Kinder sind kurz im Video zu sehen, sogar einer meiner Schüler wurde zu einem Geschichtsprojekt in meinem Unterricht interviewt und dann das Highlight: Hitler. Der Journalist oder die Redaktion haben es vorgezogen, ein paar Bilder von Hitler zu zeigen und damit am 3. Oktober auf die deutsche Geschichte einzugehen. Hm! Und sie haben mir die Chance auf den internationalen Durchbruch verwehrt. Vielleicht blieb mir aber auch eine gewisse Peinlichkeit erspart. Aber ich behaupte, dass mindestens ein Satz von mir besser war, als ein millionenfach gezeigter Hitler ohne wirklichen Kontext. Aber wer einen Tag vorher anfragt, ob man ein Interview machen könne, was am gleichen Tag ausgestrahlt wird, hat womöglich eine glühend heiße Nadel zum Stricken benutzt und vielleicht etwas wenig Zeit für eine historisch valide und dramaturgische Erzählung gefunden (ob ich jetzt die große Aufwertung gewesen wäre, sei dahin gestellt). 

Hier ein paar Eindrücke von unserem Projekt:

Zusammenfassung: https://www.youtube.com/watch?v=BgjVeBjUnQs&t=44s

Das Live in voller Länge mit unserem Videoclip mit den Kids zu Beginn: https://www.youtube.com/watch?v=L7DEmSZQTOw

Nun schreiten wir mit großen Schritten zur Fertigstellung unseres nächsten Projektes: dem Denkmal.

In diesem Sinne, ich muss in den Pool... äh, an die Arbeit...


Beschäftigungen in Zeiten von Corona

Das beste Pferd im Stall: Blackout!
Die beste Frau im Stall

Manchmal vergisst man, dass man in Brasilien ist
und im Frühling 38° hat


Unser Banner für den Lauf


Dreharbeiten zum Videoclip "Laufen nach Berlin"


Wohnhaus im Zentrum von SP


Mountainbike-Trail - nicht 
immer kindgerecht




"Schwarze Piste"

Wer sein Mountainbike liebt, ...

Action-Heroes mit Steffen und Robert

Immer wieder Brände...

Emily und Lara

Aber auch immer wieder schöne Natur



Momentaufnahme. Moment! Momentaufnahme? Nein, alles inszeniert, wie so oft in Brasilien.
Und die Leute stellen sich sogar an, um "das perfekte Bild" auf einer x-beliebigen Brücke
vor einem x-beliebigen Hintergrund zu schießen.

Deutschtümelei in Campos do Jordao

Original-Fachwerk-Imitat, aber gemütlich

Romantische Straße in Bay... äh Brasilien

Es war einmal, vor langer Zeit, als es Corona gab...

Alltags-Action: Der Baum vor unserem Haus drohte seit Wochen umzukippen und nun
haben die Greenkeeper der Stadt (ja, es ist mehr Bedarf als man denkt) ihn abgesägt
und dabei nur 2-3 Strom- und Internetkabel mit abgerissen.



Surf-Idyll Represa
Bootfahren


Beim Motorboot- und Jetski-Kurs - und 33° von oben

Theorie-Unterricht


Auch kiten geht auf der Represa

Auch reiten geht an der Represa

Represa...

Da ist sie: Linda Fly




Endlich mal wieder ein Tucan bei uns in Interlagos.

Unser Leihhund Snoopy



Kinderspaß im Clube


Mit Mathias beim Live zum und im Denkmal

Bald fertig?


Mit dem Kurator, dem Architekten und einem Kunstkritiker
 - und dem Denkmal im Hintergrund


Wir freuen uns, dass wir das Action-Tambor-Wochenende
heil überstanden haben

Auf Cappuccino



Sogar Zertifikate gab es am Ende...

Auf Blackout

Zugegeben, Lena geht noch ein bisschen mehr in die Kurve








Grevesmühlen-Moment mit Nicole in Juquehi