Mittwoch, 25. November 2020

"Suco de alemão" in Bahia

 Es ist fast ein bisschen anmaßend, in Zeiten der sich wieder verschärfenden Corona-Situation in Europa von Urlaubs-Eindrücken in Brasilien zu sprechen, insbesondere dann, wenn diese so besonders schön waren. Aber was soll`s: Jeder kann ja jetzt aufhören zu lesen…

Unser Ziel hieß Bahia, ein wieder einmal völlig anderes Brasilien. Die von früheren Sklaven mitgebrachte afrikanische Kultur hat sich hier noch in verschiedenen Formen erhalten und ergibt gepaart mit der kolonialen Geschichte Salvadors und des explosiven Wachstums der Großstädte während der vermeintlichen Wirtschaftsaufschwünge seit den 60er Jahren, ein unglaubliches Nebeneinander von schön und hässlich. Im Zentrum Pelourinho atmet man die Luft lange vergangenen Glanzes und in den Nebenstraßen sieht man die Folgen viel zu schnellen Wachstums und deutlich geringerer Wirtschaftskraft als zum Beispiel in São Paulo. Die Lage am Meer ist herausragend und lädt natürlich an den vorhandenen, wenn auch kleinen Promenaden zum Verweilen ein (so würde man das zumindest im Reiseführer sagen, glaube ich).

Aber wie immer, hat die Medaille mindestens zwei Seiten und meist ist die Kehrseite die Armut gepaart mit Kriminalität. Schon im Flugzeug wies mich der Stewart konspirativ darauf hin, doch nicht abends in der Stadt herumzulaufen und auf gar keinen Fall die „Touristenstraßen“ zu verlassen. Ersteres konnten wir nicht ganz vermeiden, aber auf Zweiteres wurden wir in den nächsten Tagen noch zweimal von Einheimischen hingewiesen. Die starke Polizeipräsenz unterstrich diese etwas andere Sicherheitslage. Eine solche Besorgnis habe ich in São Paulo bisher nicht erlebt. Auch die Leute mit dem Touristen-Schnickschnack, wie Kettchen und Capoeira-Malerei auf dem Arm, waren hier aus der Not heraus geboren etwas aufdringlicher (in einer Situation wurde es handgreiflich zwischen Einheimischen, als ein weiterer Anbieter hinzukam und uns ungefragt auch noch abfischen wollte). Ehrlicherweise fühlten wir uns aber auch nicht latent bedroht, zumal wir tatsächlich keine Abstecher in die Nebenstraßen wagten.

So schlenderten wir dann auf den erlaubten Routen durch die engen Gassen, in der auch Michael Jackson mit der hiesigen Percussion-Group Olodum das Video zu „They don`t really care about us“ aufgenommen hat. Entlang der Wasserkante, deren Strände coronabedingt leer waren. Dies war übrigens auch ein kleiner Wermutstropfen, denn die Karnevals- und Capoeirakultur fand ebenfalls nicht statt. Dafür hatten wir aber andere schöne menschliche Begegnungen. So zum Beispiel mit einem Künstler und seinem kleinen zugemölten Atelier, oder mit dem Besitzer eines Restaurants, der doch tatsächlich der Bruder von Ailton, einem der früheren fußballerischen Lichtblicke meines Vereins Werder war. Unglaublich! An ebendiesen letzten Abend haben wir es uns mit den Ruchs auch richtig gut gehen lassen. Und die Quittung bekam ich dann am nächsten Tag mit einem hartnäckigen Kater, sodass ich unseren Ausflug zum Schildkrötenprojekt hier gar nicht so richtig anpreisen kann. Interessant zu beobachten  war hier aber ein kleiner Nebenschauplatz, als wir am Strand etwas snackten, denn es handelt sich um ein häufig gesehenes und damit einigermaßen typisches Bild. Zunächst einmal war es total voll (Ferientag), dann sitzen die Brasilianer eigentlich den ganzen Tag auf Plastikstühlen an Plastikstischen und trinken Bier oder gern auch härtere Sachen in der prallen Sonne. Dazu die Boombox aufgedreht und wenn der Nachbar zu laut ist, wird halt hochreguliert. Vereinzelt wird auch kurz gebadet oder auch mal ein Spiel am Strand bespielt, aber das ist eher die Ausnahme und bleibt meist den Kindern überlassen. Sitzen, Essen, Trinken: das ist die Regel.

Natürlich ist die Darstellung hier etwas tendenziös. Nicht alle Brasilianer begehen so ihren Sonntag und nicht alle Strände sind so voll. Ganz im Gegenteil, wie wir wenig später bei unserem zweiten Teil der Bahia-Reise erfuhren. Mit dem Katamaran ging es zunächst zwei Stunden entlang der Küste weiter gen Süden, natürlich an Deck, von der Gischt gepeitscht und mit Steffen sinnierend über alles. Zwischenstopp Morro de Sao Paulo, eine Insel mit einem eher mondänen Hauptort und einer höheren Quote an synthetischen Körperergänzungen. Aber unser Ziel lag weitere 45 Bootminuten weiter südlich auf der Insel Boipeba. Schon die Landung wirkte mit einem Sprung ins Flachwasser und dem menschenleeren Strand wie die Ankunft der ersten Europäer – nur diesmal hoffentlich mit guten Absichten. Ein Holzschild an der Palme mit der Aufschrift „Paraíso“ sollte ein Vorbote für die nächsten Tage werden. Die Insel wird nur von Quads und Traktoren befahren, was automatisch entschleunigt. Die einfache aber tolle Pousada auf Stelzen im Regenwald war 30 Sekunden vom Wasser entfernt. Im Ort wohnten eigentlich nur ca. 100 Menschen und ein paar Touristen. Man fühlte sich wie ein Teil des Lebens, weil Niemand einem was andrehen will, sondern jeder seinem Tagwerk nachgeht (hier vor allem alles rausholt, was das Meer an Vielfalt hergibt). Und dann dieses Cliché von Paradiesstränden, die zum großen Teil uns allein zu Füßen lagen. Ein Ortskundiger machte mit uns eine Wanderung durch Mangrovenwälder, in denen es vor Krebsen aller Art nur so wimmelte. Für alle, insbesondere die Kinder, war dies durchaus eine Grenzerfahrung, da man nie wusste, wo man barfuß eigentlich da hineintrat und zum Ende das Wasser durch die ansteigende Flut auch schon eine interessante Höhe erreichte.

Und wenn wir nicht gerade wanderten, uns beim Klack-Klack-Brasil am Strand die Bälle um die Ohren hauten oder in den Natur-Pools bei Ebbe schnorchelten, schauten wir den Locals beim Kicken am Strand zu (mitmachen fühlte sich in Zeiten von Corona noch irgendwie merkwürdig an) und tranken gern den ein oder anderen eiskalten "Suco de alemão", der diesem Post ja auch den Titel gibt. So nannten wir nämlich ab sofort Bier (hierbei handelt es sich um ein Wortspiel mit dem Begriff "Suco de limão", also Zitronensaft. Witzig, nicht wahr? Naja, zumindest für uns.).

Und São Paulo sonst so? Immer was los. Die Schule öffnet sich so langsam wieder. Und wir haben endlich unser Denkmal zu 98 % fertiggestellt, dazu noch einen Film mit einem professionellen Team gedreht (sehr spannende Leute, die auch in Afrika schon Filme gedreht haben) und alles für den Wettbewerb eingereicht. Dazu haben wir den Kontakt mit der Jüdischen Gemeinde SP ausbauen und im Zuge dessen noch ein Interview zum 9. November 1938 mit einer Holocaust-Überlebenden führen können, was natürlich sehr spannend war.

Privat steht das Reiten noch hoch im Kurs. Neulich haben Lena und ich bei einem Tambor-Wettkampf teilgenommen. Für mich natürlich sehr ambitioniert mit nur einem Workshop Erfahrung auf diesem Gebiet. Aber eine actionreiche Erfahrung war es allemal und ich bin immerhin im unteren Mittelfeld gelandet. Lena hat das schon besser gemacht und ist halsbrecherischer um die Tonnen geheizt, während ich bei meinem Ritt noch ein bisschen die Aussicht genossen habe 😉. Juli reitet nun auch Tambor und Emily hatte ihren ersten Auftritt mit ihrer Voltigier-Gruppe. Und dann gab es da noch diesen Ausritt mit 30 Pferden. Sumpfiger Untergrund machten die ohnehin schon nervösen Pferde noch unruhiger, aber alles entspannt, sagt Dudu, unser Reitlehrer. Am Ende sind nur 4 Leute vom Pferd gefallen (mit dabei war Juli, aber Dudu selbst auch) und die einzige Platzwunde hat sich ein Erwachsener zugezogen, als er sich auf einem Kinderklettergerüst den Kopf gestoßen hatte. Aber der Ausflug bei uns an der Represa war fantastisch. Demnächst möchten wir mit den Ruchs, also die Erwachsenen, mal Voltigieren ausprobieren. Pferde, Pferde, Pferde...

Fußball gab es auch mal wieder nach 8 Monaten Pause. Ich spiele mit Steffen beim Team „Alemanha“ bei der „Copa Gringos“ mit: ein Turnier mit Freizeitteams aus aller Herren Länder. Neulich gab es einen Testspielsieg gegen Ecuador und am Wochenende dann Punktspiel gegen Libanon. Multi-Kulti. Kein Wunder, bei ca. 18 Millionen Nachbarn in der Stadt.

Sonnenuntergangsstimmung in Salvador

Hässlich

Hübsch

Pelourinho mit dem Michael-Jackson-Balkon (Musikvideo)

Straße mit Sohn

Ein bisschen Kultur blieb übrig in Corona-Zeiten

Streetart

Straßenzug in Salvador

Atelier unseres Künstlerfreundes

Argumentation für den Kauf eines Objektes

Streetart (ganz rechts unser Künstlerfreund)

Pelourinho

Überfahrt nach Boipeba

Überfahrt auf Boipeba

weit, einsam, ohne Worte

ebenfalls ohne Worte

Die Insel im Hinterland 

Das Häuschen der Kinder in der Pousada

weit, zweisam, ohne weitere Worte

schon wieder ein Bild vom Strand

Müllfisch

Waten durch mit Leben gefüllte Matschepampe

Pegel steigt

besser mit Boot weiterfahren

noch so ein schöner Strand

Einheimischer

und wieder so ein Strand

Strand

Ortsschild

Schöne Frau an schönem Strand

Streetart

Irgendeine Wasserheilige mit viel Glitzer

zugebautes Salvador

Schönes Salvador

Man beachte den dunklen Zufluss im Vordergrund: ungeklärte
Abwasser wird direkt zum Stadtstrand abgeleitet. Im Hintergrund
erkennt man Surfer zwischen den Felsen.


Historisches Salvador

Schönes, historisches Salvador

Kulinarisches Salvador

Inmitten der Stadt eine der zahlreichen und großen Favelas

Wieder im Pelourinho

Kulinarisches mit den Ruchs

Samstag Abend in Corona-Zeiten

Im Gespräch mit Alexander, dem Bruder von Ailton

Noch nicht genug Strand? Bitteschön....

Mais uma vez...

Albern, aber notwendig

Mangroven-Abenteuer

Caipirinha in einer Kakaobohne serviert

Unser Hausstrand

Wir an unserem Hausstrand beim Klack-Klack-Brasil

Was haben sich die Menschen nur dabei gedacht, sowas zu bauen?


Dreharbeiten in der dunklen, totalitären Seite unseres Denkmals 

Unser Denkmal auf der Seite der Demokratie

Blick aus dem "Wurmloch"

Unser Denkmal von außen

Juli beim Halloween-Quatsch

Mein erster Tambor-Wettkampf. Als einziger Teilnehmer in
meiner Kategorie bin ich immerhin dritter geworden.

Deutsche und brasilianische Tambor-Ladies

Emily auf unserer Linda

Juli auf unserer Linda

Ich mit dem besten Pferd des Universums
- Blackout - mit der Bitte,
mich doch gut um die Tonnen zu führen.

Viel los auf dem kleinen Pferdehof

Ausritt an der Represa mit 30 Pferden.

...mit den Kindern

Die zwei Seiten der Medaille: Die Represa von Nahem...

...und etwas mehr aus der Ferne

Juli im Denkmal

Kleine Feier bei uns zu Hause, zwei Stunden Stromausfall, Improvisation.

Treffen mit der Jüdischen Gemeinde am Denkmal