Sonntag, 1. März 2020

São Paulo - unsere Perle und so vieles mehr...

Der Titel ist vielleicht etwas übertrieben, aber gerade von unseren Eindrücken aus Chile wollten wir uns nicht unsere temporäre Heimat madig machen lassen. Und so öffnet man den Blick wieder etwas weiter. Taucht auch mal ins Abend- bzw. Nachtleben ein, nähert sich dem karnevalesken Treiben. Aber auch im Haus lässt es sich gut aushalten, so gut, dass wir dies mit anderen teilen möchten, weshalb wir nun zwei Katzen im Haus haben. Ohnehin haben die Kinder, insbesondere Juli, die Tierwelt immer mehr ins Herz geschlossen. Dies findet auch Ausdruck in unserem neuen Familien-Hobby: Reiten. Ja, Juli und ich üben uns jetzt auch in dieser archaischen Art der Fortbewegung und mein erster Galopp am Rande unserer Represa (der Stausee hier in Interlagos) bei untergehender Sonne war eine Offenbarung. Übrigens war mein erster Galopp bereits in der zweiten Unterrichtsstunde, was nichts über mein Können, aber vieles über den entspannten Umgang beim Reiten lernen sagt, denn in Deutschland hätte ich vermutlich auf einem verzogenen Pony drei Jahre an und weitere 2 Jahre unter der Longe verbracht.

Besonders schön empfindet man unsere Stadt, wenn man Besuch hat. Olli, Bahar und Mina, unsere Nachbarn aus Hamburg, waren zwar nur fünf Tage hier, dafür nutzten wir diese aber intensiv mit kleineren Ausflügen und Spaß und Spiel zu Hause, wofür wir ja doch eine gute Logistik in unserem Haus haben. Es ist immer wieder schön, ein bisschen Heimat durch Besuche aus Deutschland zu haben, gerade wenn es auch so entspannt läuft wie mit den Dreien.
Unser zweiter Besuch war nur ein Wochenende da. Die ADLK-Familie aus Santiago machte in ihren drei Monaten Sommerferien noch einen kleinen Abstecher nach SP und auch sie pflichteten uns bei, dass São Paulo auf den zweiten Blick seine schönen Seiten zeigt.

Wie so oft schon erwähnt ist aber auch der Standortvorteil von SP nicht zu unterschätzen. Sozusagen in der näheren Umgebung von SP, also nur 1,5 Flugstunden entfernt, befindet sich eines der spektakulärsten Naturwunder der Welt: die Wasserfälle von Iguaçu. Auf brasilianischer Seite hatte man bereits schöne Perspektiven auf die überall herunterfallenden Wassermassen, deren Gischt in kitschiger Vollendung die schönsten Regenbögen über die Landschaft zauberten. Da wir zu den Karnevalsferien dort waren, gesellten sich zu den ohnehin vielen ausländischen Touristen auch noch die Hälfte der brasilianischen Bevölkerung dazu (also gefühlt rund 100 Millionen), sodass es zwischendurch auf den Plattformen echt eng wurde. Aber welche Menschenmassen sich am Nachmittag nach unserer Rückkehr noch vor (!) dem Eingang befanden, spottet jeder Beschreibung. Was die Leute nach drei Stunden Wartezeit in ihrer verbleibenden Zeit im Park noch sehen wollen und ob sie überhaupt etwas sehen, wenn sie sich nicht übereinander stapeln, bleibt fraglich.
Der nächste Tag auf der argentinischen Seite war dann noch mal spektakulärer. Lange Wege am Rande des Plateaus mit wunderschönen Motiven. Man träumt sich zwischendurch in eine Zeit zurück, in der hier nur ein paar Ureinwohner lebten und alle Jubeljahre lediglich ein Forschungsreisender vorbeischaut (der hoffentlich ich gewesen wäre). Aber die Menschheit hat ja bekanntlich eine andere Entwicklung genommen. Schon beim Anflug auf Foz de Iguaçu sieht man die Wunden in der Landschaft. Man fliegt ewig über Felder, aber nie über Wälder. Und plötzlich beginnt ein völlig dichtes Grün, das hier mal die ganze Region beherrscht hat: der Nationalpark. Unglaublich, wie flächendeckend die Mata Atlantica in ganz Brasilien abgeholzt wurde, sodass heute nur noch ca. 8 % davon übrig ist. Aber die Natur, die intakt ist, ist natürlich hier großartig. Der Höhepunkt unserer Wanderung in Iguaçu war direkt am höchsten Teil der Fälle, an dem die Wassermassen in die Tiefe stürzen und die Gischt innerhalb von Minuten alles durchnässt.

Am letzten Tag machten wir einen Spaziergang rüber nach Paraguay. Die Ciudad del Este liegt gegenüber von Foz auf der anderen Seite des Flusses. Eigentlich trennt die beiden Länder hier nur eine Brücke, aber die Unterschiede sind doch viel deutlicher, als ich dachte. Foz ist, wie die meisten brasilianischen Städte, weder schön noch wohlhabend, aber die andere Seite ist doch deutlich ärmer. Es gab so viel Ramsch, dass der Name "Ramsch-Town" angemessen wäre. Und China scheint der Hauptlieferant zu sein. Nach einer Stunde Aufenthalt reichte es uns dann auch und es ging zurück über die Brücke. Die Brücke ist übrigens mit hohen Zäunen nach außen und zur Fahrbahn bewehrt, die nicht dazu dienen, die Fußgänger zu schützen, sondern den Schmuggel zu unterbinden, denn noch vor einigen Jahren war die Brücke selbst ein rechtsfreier Raum, in dem unter anderem Eltern ihren Kindern Schmuggelgüter in die Socken gesteckt haben. Ja, Südamerika hat es nicht leicht, aber derlei Unterschiede kennt man in Europa ja auch.

Wie nah Europa und die Geschichte hier in Brasilien manchmal ist, lernte ich durch zwei Anekdoten erst kürzlich wieder kennen. Die Tatsache, dass der Auschwitz-Arzt Mengele damals in den 70ern von der Grundschulleiterin unserer Schule versteckt wurde, hatte ich ja bereits erwähnt. Nun erzählte mir unser deutscher Schulleiter folgende Geschichte: Als er in Rio lebte, lernte er im Deutschen Konsulat einen Holocaust-Überlebenden aus Lodz kennen. Unser Schulleiter wusste, dass sein Onkel im Zweiten Weltkrieg in Lodz als Beamter gearbeitet hatte und er fragte den Mann aus Lodz, ob er zufällig Herrn "Soundso" kenne. "Natürlich." antwortete dieser. "Er hat damals die Auflösung des Ghettos organisiert und dafür gesorgt, dass ich nach Auschwitz komme und meinen Vater dort verliere. Den kannte Jeder." Das macht einen nur sprachlos. 
Eine weitere Anekdote erzählte mir neulich die brasilianische Frau eines Kollegen. Als Teenager musste sie in Rio bei einem damals wohl weltführenden plastischen Chirurgen wegen Verbrennungen operiert werden. Die Krankenschwestern fragten sie, ob sie nicht im Zimmer einer älteren Dame liegen möchte, weil diese sich über Gesellschaft freue. Als Connis Mutter eines Tages zu Besuch kam, sah sie Briefumschläge auf dem Tisch der älteren Dame mit der Anschrift: Leni Riefenstahl. Connis Eltern sind in den 50ern aus Österreich ausgewandert und kannten natürlich die Lieblings-Regisseurin von Hitler und waren völlig hingerissen von dieser Begegnung. Ob die sich aber über die Wirkung ihrer "Meisterwerke", wie "Triumph des Willens" kritisch auseinandergesetzt haben, bleibt zu bezweifeln. Und die Riefenstahl hatte an ihrem Lebensabend mal eben in Rio noch ein paar Fältchen wegmachen lassen.
Zweierlei wird unter anderem an diesen Beispielen deutlich: Wie nah ist die deutsche Geschichte und wie unreflektiert wird damit bisweilen hierzulande umgegangen. Umso wichtiger, dass wir mit unserem Geschichtswettbewerb einen Akzent setzen (http://erinnern-gegenwart.de/site/ oder https://instagram.com/denkmalnach_fragmalnach?igshid=63g7frlwhcss) Wir bauen auf dem Schulgelände ein Denkmal gegen Totalitarismus am Beispiel des Nationalsozialismus und führen Interviews zu "Erinnerungskultur" durch. Bis Mai müssen wir fertig sein. Drückt die Daumen, dass wir alles fertig kriegen.


Die Kinder auf einem Geburtstag. Man beachte im Hintergrund, wie das Thema
des Geburtstags bis ins Detail und mit hohem Kostenaufwand durchgestylt ist.
Sieht man nicht selten hier, aber ob das den Geburtstag besser macht? 
Beim Studium in der Schule.


Bibi und Tina auf Amadeus und Sabrina war gestern.
Heute heißt es:
Emily und Juli auf Troja und Samurai

Besuch aus Chile im Freizeitpark "Casa Möller"

...derzeit typische Wetterlage in SP

Mit den "Chilenen" auf der Paulista

Katzenkunde mit Maria, unsere Haus-Managerin

Die Kinder mit Rudolf. Nova Susy versteckt sich noch irgendwo.


Was macht man Abends halb zehn in Pinheiros nach Caipirinha?
Richtig, einen Anker auf den Oberarm tätowieren lassen.

Diesmal nur am Rande, nächstes Mal mittendrin: ein Bloco de Carnaval.

Bauernhof-Feeling in der Großstadt

mit Clara und der Voltigier-Lehrerin Fabiana

Neues Hobby: Schild und Schwert bzw. Colt und Lasso kommen vielleicht in der nächsten Stunde dran... 


Kicken an der Schule. Zumindest für Juli ist Regen kein Grund zum aufhören.

Iguaçu

Iguaçu

Iguaçu

Iguaçu

Menschenmengen auf den Plattformen in Iguaçu

Noch mehr Menschenmassen nachmittags vor dem Eingang (die Schlange wird mehrmals hin- und hergeführt, was man auf dem Bild nicht so richtig erkennt).

Irgendeine Echse

Ara bei der Landung


Das große Finale der Wasserfälle.

Nass durch Gischt.


Abstecher nach Paraguay zu Fuß über die Brücke. Die Zäune sollen Schmuggel verhindern,
indem nicht mehr einfach das Schmuggelgut von Auto zu Fußgänger oder von Fußgänger
in den Fluss übergeben werden kann.

"Ramsch-Town": Ciudad del Este heißt übrigens Stadt des Ostens - ja ja, immer der Osten... 

Immerhin fürs Familienalbum: Familie mit Paraguay-Flagge im Hintergrund.


Arbeitsplatzeindruck wenn Lena Präsidentin wäre...

...und wenn ich Präsident wäre.

Unsere Projektgruppe: 13. Klasse und drei brasilianische Kollegen

Projektpräsentation vor dem Schulvorstand, dem wichtigsten Schulgremium,
denn denen gehört die Schule sozusagen


Unser Projekt-Logo


In unserer Straße. Die Linien sind von der illegalen Motorradfahrschule.
Uns stört es weniger, denn so ist tagsüber immer Jemand da
und hält Andere vom Einbrechen ab.
Olli, Bahar und Mina. Auf gute Nachbarschaft,
auch wenn uns tausende Kilometer trennen.

Mit Mina auf der Paulista


Früchtchen auf unserem Sonntagsmarkt hier in Interlagos.
  
Auf einem bolivianischen Volksfest mitten in SP.

Auf der Paulista mit Caldo de Cana (Zuckerrohrsaft)

Juli zeigt Olli das Rollen

Kollegen zu Besuch in der Grillecke.

dito

Paradies zu Haus