Samstag, 28. September 2019

Anekdoten des Alltags

Ach ja, wir haben unsere gemeinsame ViVo-Geschichte noch um ein Kapitel erweitert. Eigentlich wollten wir uns einfach nur ein Fernsehpaket holen, damit wir endlich die berühmt berüchtigten Telenovelas schauen können. Aber einfach ist das hier ja nie. Insgesamt haben wir unglaubliche 4,5 Stunden (!) in diesem Laden gesessen, weil die Angestellten mit ihrem Halbwissen, gepaart mit den komplizierten Abläufen der Authorisierung einen gefährlichen Cocktail bilden, der einen Geschmack auf die Vorhölle bietet. Mittlerweile ist anzunehmen, dass es sich bei diesem Unternehmen um eine Art Vereinigung handelt, deren Aufgabe darin besteht, vordergründig den Menschen Freude (hier in Form von Unterhaltung) zu verkaufen, selbige aber dem Menschen entzieht, ähnlich wie die Dementoren in den Harry Potter Romanen. Nun hatten wir vor Ort natürlich keinen Patronus parat, sodass wir am Ende sogar ohne Vertrag aber mit viel Frust den Laden und die allumfassende Mall verließen (Ohne Tschüß zu sagen, so!). Hab ich eigentlich schon erwähnt, dass ich Malls nicht mag? Und durch solche Erlebnisse wird das nicht besser.
Gut, dass wir noch nicht so viele Schimpfwörter auf Portugiesisch beherrschen. Das Blöde ist, dass alle anderen Anbieter genauso arbeiten, weshalb man mangels Alternativen da leider durch muss.
Am nächsten Tag, einen Samstag, sollten dann die Techniker kommen, um das Internet zu reparieren (Papageien hatten offenbar das Kabel durchgeknabbert, was ja irgendwie auch ganz niedlich ist). Wir haben natürlich nicht damit gerechnet, doch siehe da: Um 8:30 Uhr kamen sogar zwei Techniker, denn auch der TV Mann wollte uns einen Anschluss legen. Das haben wir auch gleich machen lassen, auch wenn es insgesamt 8(!) Stunden gedauert hat, wovon der Techniker aber 7 Stunden mit der Zentrale telefonieren musste, "pra confirmar" versteht sich, was ihn sichtlich nervte. Am Ende haben wir nun ein funktionierendes TV-Paket, ohne einen Vertrag unterzeichnet zu haben. Mal schauen wie lange das gut geht 😏

Der Techniker war überhaupt total nett, wie auch an anderer Stelle eine Mutter einer Schülerin, die Lena eine Mail schrieb, nachdem sie erst zwei Wochen im Amt war. Die Anrede an ein Schulleitungsmitglied mit "Liebste" und "Teuerste" war sicher gewöhnungsbedürftig und deutete aus mitteleuropäischer Sicht eher darauf hin, dass die Mutter etwas im Schilde führt. Lena konnte ihr dann die gewünschte Auskunft geben, woraufhin die Mutter antwortete: "Lena, ich fand dich vorher schon toll, aber jetzt liebe ich dich!" Ist das nicht schön? So kann man miteinander umgehen!

Neulich gab es noch eine andere Situation: Weil ich sprachlich am Telefon noch nicht so sicher bin, bat ich Lena, einen Termin für mich beim Augenarzt zu machen (seit Wochen habe ich ob der momentan trockenen und schmutzigen Luft Augenreizungen). Ich suchte die Nummer raus und drückte Lena das Handy in die Hand. Sie kam dann auch gleich durch und erklärte, was los sei und dass sie einen Termin vereinbaren möchte. Der Gegenüber verstand nicht. Lena wiederholte, nach neuen Worten suchend. Wieder nichts. Nach dem dritten Anlauf fragte dann der Gegenüber: "Wenn ihr Mann Augenschmerzen hat, warum rufen Sie denn bei der Feuerwehr an???" Ups. Feuerwehr? Entgeistert schaut mich Lena an und ich krümme mich vor Lachen. Später hat sich herausgestellt, dass ich, dank Auto-Korrektur, statt Cerpo (Augenklinik) Corpo (Feuerwehr) gegoogelt und unbedacht auf Anruf gedrückt habe. Naja, rückblickend betrachtet haben meine Augen schon etwas gebrannt, aber ein Löschzug wär vielleicht doch etwas übertrieben...

An anderer Stelle konnte ich aber wieder etwas glamouröser agieren. Die Schule feierte den 250. Geburtstag unseres Namensgebers Alexander von Humboldt (und an dieser Stelle sei erwähnt, dass dieser Herr von Humboldt eine total interessante und aus meiner Sicht viel zu wenig präsente Persönlichkeit ist). Anlässlich dieses Ereignisses wurde mir die Ehre zuteil, in eine 3,50 m große Humboldt-Karnevalspuppe zu schlüpfen und zu Samba-Rhythmen zu tanzen (und ein paar Kinder zu erschrecken).

In dieser Humboldt-Woche fand auch das Festival das Cores statt, ein Sportturnier, bei dem jede Klasse eine von vier Farben zugeteilt wurde, die dann für ein Gesamtergebnis verschiedene Sportdisziplinen bei frühlingshaften 36° Außentemperatur durchführten. So kommt es, dass innerhalb einer Familie dann verschiedene Farben konkurrieren, wie bei uns mit blau (Emily) und grün (Juli). Einige Eltern sprachen dann auch von "bürgerkriegsähnlichen Zuständen" zu Hause. Am Ende der Woche trennten von über 1800 Gesamtpunkten nur 30 Punkte die Erst- und Zweitplatzierten. Blau gewann und ein Jubelsturm brach in der Halle los, während einige der Zweitplatzierten Grünen in Tränen ausbrachen. Brasilianische Leidenschaft.

Als wir neulich im Fußballmuseum waren, gab es auch einige interessante Dinge zu entdecken. Zunächst wollte uns die Parkplatz-Mafia mit überteuerten Gebühren abziehen. Zunerst haben wir bezahlt, bis wir dann herausgefunden haben, dass das Trickser sind. Aber nicht mit Lena! Sportlich-drohenden Schrittes ging sie auf die Truppe von 6 jungen Männern zu, forderte nachdrücklich das Geld zurück und der Delinquent erkannte seine ausweglose Situation und gab Lena sofort die 30,- RS (statt 5,- RS) zurück. Yeah!
Nun zum Museum: Zum Einen ist das Stadion, in dem das Museum ist, 1940 erbaut worden und ist unverhohlen inspiriert vom 4 Jahre vorher erbauten Olympiastadion in Berlin, denn die Brasilianer schufen hier in einem Anflug von Größe immerhin das zu dieser Zeit größte Stadion Südamerikas (später dann noch einen draufgesetzt mit Maracana in Rio mit über 180000 Plätzen). Ähnlich nachgeahmt ist der Farol Santander, das Wahrzeichen-Hochhaus im Zentrum. Damals inspiriert vom Empire State Building wurde es dann auch vorübergehend das höchste Gebäude Brasiliens. Es bot uns einen schönen Blick über dieses Beton-Meer.
Aber die Brasilianer ahmen nicht nur nach oder machen gegenwärtig politisch und ökologisch Negativschlagzeilen - sie sind auch manchmal Vorreiter. Nicht nur, dass Brasilien weltweit eines von zwei Ländern ist, welches die international beschlossene Nicht-Raucher-Kampagne konsequent durchzieht. Interessant war auch, dass der erste und umfassendeTeil des Fußballmuseums den Frauen gewidmet war, entgegen unseren Erwartungen in dieser Männerdomäne und in einer patriarchalisch geprägten Gesellschaft. Sogar die Toiletten waren explizit genderneutral ausgewiesen.


Snack zu Hause um die Ecke

Skate-WM im Parque Vila Lobos

Schulbusse

Crack-Hilfe-Mobil ohne Kundschaft

Luxus-Club mitten in der Stadt 

Luxus-Schule in der Innenstadt mit eigener Kirche

Blick vom Farol Santander

Lena mit Blick auf die Stadt

Café über der Stadt

Im Hochhaus mit Blick auf die "Fast Lane"
(24 Stockwerke in wenigen Sekunden)



Farol Santander - halb so groß wie das
Empire State Building, aber immerhin
Estadio Municipal - halb so groß wie das Berliner Olympiastadion,
aber immerhin


Supermarkt


Eltern haben mich beim Festival der Farben in der
Schule mit der falschen Farbe erwischt

Blau gewinnt

Alexander von Humboldt

Alexander von Humboldt dancing

Smiling

Gendering

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