Neues aus Brasilien? Ja, in der Tat, denn hier ist die Corona-Lage
unübersichtlich, aber vergleichsweise liberal. Wochentags sind wir derzeit „Gelb“,
ab 20:00 Uhr und an Wochenenden „Rot“, was sich aber täglich ändert. Wie
auch die Bestimmungen für die Schule. Ob die Mutation aus Amazonien sich bedrohlich
verbreitet, wird nicht ganz klar, wie auch der Fortschritt beim Impfen. Kurzum:
ein ziemliches Durcheinander, was aber bei 30°C und relativer Bewegungsfreiheit ganz gut auszuhalten ist. Und zu diesen vorteilhaften Freiheiten gehört zweifelsfrei das recht unbegrenzte Reisen. Aber Corona ist dann auch der Hauptakteur der
ersten Kehrseite der Medaille, die diesem Post den Titel gibt. Corona hatte
Mitte Dezember meine Eltern heimgesucht
- glücklicherweise mit nur leichten Symptomen – weshalb sie Weihnachten
nicht nach Brasilien kommen konnten. Daraus ergab sich erst recht das Bedürfnis,
rauszukommen. Und dem ließen wir Taten folgen:
Minas Gerais
Wie der Name schon sagt, ist das Schürfen in und auf der
Erde seit Jahrhunderten Kernstück dieses Landstrichs – mit all seinen positiven
wie negativen Folgen. Zweifellos positiv sind die hübschen Städte, wie Ouro
Preto. Welch Augenweide für das hier in Brasilien oft von Beton und baulicher
Willkür traktierte Auge. Der schnelle Reichtum durch Gold ließ ein schönes
Städtchen in den Bergen entstehen, was sich unter anderem dank UNESCO erhalten
hat. Aber natürlich lernt man auch vor Ort beim Besuch der Minen einzuschätzen,
unter welch brutalen Bedingungen dies Kleinod erschaffen wurde…
Eine weitere Augenweide ganz in der Nähe ist der Kunstpark Inhotim.
Ein Park, wie ich ihn auch angelegt hätte und Kunstinstallationen, die uns
ansprachen, bisweilen sogar beeindruckten. In direkter Nachbarschaft dann aber
Brumadinho: Bekannt geworden durch den Dammbruch einer Eisenmine vor zwei
Jahren, bei dem 270 Menschen fahrlässig getötet wurden und ein ganzer Landstrich vergiftet
worden ist.
Den letzten Teil in Minas verbrachten wir in der Serra do
Cipó, ein Naturschutzgebiet mit schönen Wasserfällen und so. Bemerkenswert war
hier der Übergang ins neue Jahr. Die sehr familiäre Pousada veranstaltete
spontan eine Silvesterparty mit tonnenweise Nascherei, Churrasco, Sekt,
Live-Musik… für nur ca. 16 Gäste. Aber es war fantastisch, vor
allem der Neujahrsmorgen mit den Brasilianern, mit denen ich (vermutlich) das
reinste Portugiesisch sprach und bis zum Sonnenaufgang fröhlich beisammen war
(obwohl ich Emily gegen 0 Uhr gesagt hatte, ich bin in 10 min im Zimmer – naja, Pünktlichkeit
ist von jeher eine vermeidbare Eigenschaft gewesen). Aber dann – die andere
Seite der Medaille – ging es mir so übel am ganzen nächsten Tag, wie noch nie (glaube
ich), was nicht nur auf das fortschreitende Alter zu schieben war. Nach Genesung musste ich mir einen Monat Abstinenz von ungesunden Getränken verordnen.
São Luís
und Atins in den Lenções Maranhenses (Nordosten)
Die Innenstadt von São Luís ist ebenfalls UNESCO-Weltkulturerbe
und hat so ihre schönen, aber auch abgerockten Seiten und der Hinweis des
Taxi-Fahrers, doch wirklich nur auf den größeren Straßen zu bleiben und
spätestens bei Sonnenuntergang am Hauptplatz zu sein, wies auf eine andere
Sicherheitslage hin. Tatsächlich tummelten sich dann auch hunderte von Menschen
bei Sonnenuntergang auf dem zentralen Platz und legten die Corona-Bestimmungen
auf ihre Art aus. Die allgegenwärtige Weihnachtsdekoration wirkte am 3. Januar
bei 30° C gewohnt ungewohnt, aber die Menschen - und wir - waren glücklich.
São Luís war aber nur der Ausgangspunkt für unseren Trip ins
kleine Örtchen Atins in den Lenções Maranhenses, der Nationalpark im
Nordosten Brasiliens bestehend aus Dünen, Lagunen und unendlichen Stränden.
Hier konnte ich eine meiner Wunschvorstellung und Motive für mein mittlerweile
einjähriges Reitexperiment wahr werden lassen: Mit der ganzen Familie im Galopp durch
die Dünen, mitunter freihändig und mit Blick übers Meer. Braucht man noch mehr
Erklärungen? Unser Guide lud uns dann auch gleich zu sich in seine Hütte ein,
spendierte uns im Kreise seiner Familie Obst und Água de Coco und gab uns einen
kleinen und persönlichen Einblick ins Leben hier. Wenn man nämlich durch die
dünn besiedelte Region streift und die einfachen Lebensverhältnisse sieht,
tendiert man zu Mitleid ob der vermeintlichen Armut. Wie
arrogant und ignorant. Ein Taxifahrer sagte dazu: „Wenn arm, dann ist es hier
am besten auszuhalten“ und „Die Leute leben einfach, aber glücklich“. Den
Eindruck hatten wir auch bei unserem Reiterlebnis und es ist wichtig, sich
zwischendurch mal wieder selbst und seine Sicht auf die Dinge zu korrigieren.
Ein Thema, was mich beschäftigt und wozu ich gerade „Buen vivir“ lese. Das „gute
Leben“, welches Ideen und Lebensauffassungen der Völker der Anden und des Amazonas
zusammenfasst und eine Alternative zur westlichen Kultur der „Entwicklung“ und
des Fortschritts darstellt.
Um der Linie hier aber treu zu bleiben, schauen wir auch
wieder auf die andere Seite des Medaillons. Wir lernten Peter Paffmann aus Deutschland
kennen. Peter war einmal DPA-Journalist und arbeitete in den Krisenregionen
schlechthin (Kashmir, Somalia, Afghanistan), führte unter anderem ein Interview
mit Osama Bin Laden (den Wahrheitsgehalt konnte ich nicht überprüfen, aber er
machte nicht den Eindruck, mit einer tollen Story etwas beweisen zu müssen) und
hatte sich vor sieben Jahren überlegt, in den Nordosten Brasiliens zu ziehen.
Er gründete mit einer Brasilianerin eine Familie, baute ein Haus und ein Restaurant.
Übrigens vom Hausbau bis zum Kochen hat er sich alles selbst beigebracht und etwas richtig Hochklassiges auf die Beine gestellt. Aber was er über sein
Leben in Brasilien und die Brasilianer dann erzählte, war so nicht zu erwarten.
Seine Frau aus dem Dorf und seine zwei Kinder werden total geächtet, im Sinne von "spielt nicht mit den Gringo-Kindern". Sie hätte
sich ja mit einem Gringo eingelassen, was uns seine Frau unter Tränen erzählte.
Die Brasilianer seien Rassisten erster Klasse, Peter selbst wurde in den letzten 7
Jahren 14 Mal überfallen oder beraubt (er lebte für eine Zeit in der Nähe von Fortaleza) und die Jugendlichen selbst im kleinen
Atins sind zum großen Teil schon mal mit Crack in Verbindung gekommen. Auch
wenn sich bei den Erzählungen Frust mit Fakten mischen, klang es doch ziemlich desillusionierend
und es legt sich ein kleiner Schatten übers Paradies.
Amazonas
Teil drei der Reise sollte dann auch der spektakulärste werden.
Seit dem Geografie-Unterricht bei meiner damaligen und sehr geschätzten Lehrerin
Frau Lieffertz hat der Amazonas-Regenwald einen Zauber geweckt und spätestens
seit den Erzählungen meines guten Freundes im Geiste, Rüdiger Nehberg, war
klar, diesen Ort mal sehen zu müssen. Manaus selbst war erwartungsgemäß eine
typisch brasilianische Stadt aus viel Beton und sie wirkte überdies deplatziert
in diesem riesigen Meer aus Wald rundherum. Die großen Highlights des Trips
waren:
-
Die Lodge. Mitten im Wald
mit Blick auf das Wasser, in dem unter anderem die berühmten rosa Delfine
schwammen.
-
Ralf, unser Guide (übrigens portugiesisch "Haufi" ausgesprochen, wie auch Smartphone "Smatschifoni" ausgesprochen wird). Ein
Mensch aus dem Wald. Den eher ortsunüblichen Namen habe sein Vater angeblich
aus der Bibel, aber bis heute hat niemand einen Hinweis auf den heiligen Ralf
gefunden. Er zeigte uns, wie man aus Baumharz Feuer macht, Kunstwerke und Regenschutze aus
Palmen flechtet, Maden isst, Vogelspinnen anlockt, Krokodile mit der Hand fängt
(aber nur bis zu 2 Meter große), sich mit Ameisen einreibt um geruchsneutral auf
die Jagd zu gehen, barfuß nachts durch flaches Wasser stakt (Krokodile, Schlangen,
Piranhas? Kein Problem!) und uns überdies die unerschöpfliche Vielfalt von
Farben, Geräuschen, Gerüchen und adäquaten Nutzen des Waldes vertraut machte.
-
Nachts im Wald. In einem kleinen Boot waren wir auf Krokodilsuche. Wenn man plötzlich im Lampenschein
sieht, dass ein 2,50 Meter Krokodil ca. 30 cm unter dem Boot entlanggleitet und
eine Sekunde später mit einem riesen Platsch ein Weiteres ins Wasser springt, ist
es zunächst unbehaglich. Wenn dann aber der Guide für eine halbe Stunde das
Boot verlässt, durch das Wasser stakend fort geht und nur durch die Lampe aus
der Ferne zu sehen ist, dann später sogar noch ein kleines Krokodil aus dem Wasser
holt um es uns vorsichtig in die Hand zu geben, wirkt alles einen Hauch machbarer
im Sinne des Überlebens – einen Hauch. Spannend waren auch die Geschichten von
Legenden und Geistern aus dem Wald, die uns Ralf erzählte, während wir in den Hängematten
einschliefen. Und dann das unglaublich laute und etwas gruselige Heulen der
Brüllaffen, die lautesten Tiere der Welt, die man wahrscheinlich bis
Grevesmühlen hören konnte (ja, es ist nicht das Heulen der Feuerwehrsirene, liebe Grevesmühlener).
-
Klettern auf einen Baum.
Klingt erstmal nicht so spannend. Aber man klettert die 40 Meter selbst am Seil
hoch und hat oben natürlich einen grandiosen Blick über diesen fantastischen Wald.
Familie Brennecke war übrigens zwei Tage vorher auch hier und wurde nach dem
Klettern nicht vom Taxi-Boot abgeholt, weil vergessen. Drei Stunden im Dunkeln in Gesellschaft
von Krokodilen und Schlangen (man kann sie riechen) und nur ein kleines Feuerchen war ungewollt abenteuerlich.
-
Piranha-Angeln. Wir hatten
sowas schon mal im Pantanal gemacht, aber hier waren die Piranhas 3x so groß
und es gibt Sorten, die uns in 1 Minute auffressen könnten. Wenn man sieht, wie
groß die Zähne sind und wie leicht sie einen Stock durchbeißen, klingt das
glaubwürdig.
Die Kehrseite dieser fantastischen Urlaubsepisode ereilte
uns dann bei der Rückkehr nach Manaus. Nach einer Woche ohne Verbindung zur
Außenwelt ereilte uns die traurige Nachricht. Heiko, unsere erste Verbindung
nach Brasilien und stets eine große Hilfe, aber auch ein strahlendes Licht für
alle Kollegen, Freunde und Bekannte, ein in jeder Hinsicht und bei allen
beliebter Mensch hat sich zum Schock aller völlig überraschend das Leben
genommen und lässt nun seine Familie und viele ratlose Freunde und Bekannte zurück.
In all den oben geschilderten Situationen emotionaler
Kontrasterfahrungen bietet sich immer eine kleine Chance, ein bisschen demütig
gegenüber dem eigenen Lebensglück zu sein.
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Kunst im Wald... |
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...mit Bagger drin |
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Parque Inhotim |
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Parque Inhotim II |
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Zusammen tanzen |
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Um der Nachfrage zu entsprechen gibt es Planungen, das Weserstadion auf 1 Million Plätze zu erweitern |
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Tech-Taucher in einer Goldmine - oder James Bond Drehort? |
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Ouro Preto - schwarzes Gold |
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Daumen hoch |
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Alte Stadt, alte Autos |
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Hauskunst |
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Hier wurde "Tiradentes" hingerichtet, der erste Freiheitskämpfer Brasiliens und damit ein Nationalheld. Tiradentes heißt übrigens "Zahnzieher"... |
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Moderne Form der Ausbeutung |
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Idyllisch, pittoresk, selten in Brasilien...
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...mit Hang zum Kitsch.
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Da, ein Haus. Hier wohnte die Oma von Santos Dumont, Flugpionier Brasiliens mit dem weltweit ersten Motorflug mit einem Flugzeug der Welt.
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Kunst aus Fahrradresten - wie auf dem Fusionfestival |
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Was für ein irres Durcheinander in diesem Museum |
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Saúde |
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Serra do Cipó - satte brasilianische Natur |
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Wunschleuchten an Silvester
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Elbsandsteingebirge auf brasilianisch |
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Beton mal anders - Belo Horizonte |
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Belo Horizonte?! |
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São Luís - die portugiesischen Fliesen machen die Stadt hübsch und berühmt,... |
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...wenn auch nicht an jeder Ecke - das "Kaufhaus des Westens" auf brasilianisch |
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Lichtspektakel |
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Lenções Maranhenses |
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Wüstenmenschen |
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Die Sonne weist den Weg |
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Kopfstand auf dem Wasser |
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Frisur |
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Meer - mehr nicht |
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Die Karawane zieht weiter |
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Im Galopp, freihändig und Juli "Freiheit" schreiend |
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Die Karawane zieht immer noch weiter |
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umgesattelt |
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Schlaf, Hündchen, Schlaf |
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Ein Foto vom Essen? Naja, aber das hier war wirklich gut |
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Mad-Max Family-Edition |
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Meer von weit her |
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Meer von dicht her |
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Schwimmende Sitzgelegenheit, sitzende Schwimmgelegenheit |
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Mädchen am Fluss |
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Das berühmte Theater in Manaus |
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Das berühmte "Meeting of the waters" von Rio Negro und Amazonas |
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Schulbusschiff im Amazonas |
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Absolut krokodilsichere Boote |
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Annitta, die Hausbrülläffin |
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Caipiranha, äh -rinha mit Gesche |
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Hausen im Wald mit Blick auf Delfine |
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Ralf macht Feuer mit Baumharz |
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Origami brasileira |
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Dickicht |
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Pilzkunst |
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Wurzelkunst |
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Lodge auf Stelzen. In der Regenzeit steigt das Wasser bis über diesen Steg in der Lodge, also 12-14 Meter höher als zur Trockenzeit. |
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Kernfamilie bzw. Wurzelfamilie |
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Brülläffin Pretinha klaut |
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Der Weiße Hai war gestern |
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Wie süß |
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Baum im Wasser |
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Die Kinder pflücken mit Rafael aus dem Wald Açaí. |
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Vater und Sohn planen eine Jagd mit dem Blasrohr. Es blieb bei der Planung. |
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Krombacher-Werbung im Amazonas |
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Warten |
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Warten |
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Und nach 5 Minuten: Erfolg! |
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Erfolg! |
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(kleiner) Erfolg! |
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Wir pflanzen Mangobäume |
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"Über den Wipfeln, muss die Freiheit... |
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wohl sehr gut, aber auch etwas schwindelerregend sein." |
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denkt auch das Töchterlein |
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Aber was die Mutter trotz Höhenangst schafft... |
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Die Kids mit einem Tapir vor der Tür |
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