Mittwoch, 1. Juni 2022

Mal wieder Geschichten aus dem Alltag

São Paulo. Wer kennt sie nicht. Viel bewohnt, viel zerredet. Aber eben auch mit schönen Facetten, wie schon in vorherigen Beiträgen mehrfach erwähnt. Da überrascht es dann doch, wenn morgens um 7 Uhr vor dem Haus Jemand mit Alu-Folie bedeckt auf der Straße liegt. Aber der Reihe nach: eines normalen Wochentags morgens um 6 Uhr hörte ich drei Knallgeräusche. Ca. eine Stunde später fuhren wir aus der Garage heraus und sahen plötzlich 3 Polizeiwagen, ein Zivilauto und dazwischen zugedeckt ebenjene Person. Im Laufe des Tages und durch Recherche in den Nachrichten stellte sich dann folgender Tathergang heraus: 2 Typen auf einem Motorrad sind durch unser Viertel gefahren, um unaufmerksamen Passanten kurz ihre Pistole zu zeigen und damit die Herausgabe von Handy und Portemonnaie zu erzwingen. Ein durchaus üblicher Blitzüberfall. An einem parkenden Auto versuchten sie ebendieses, aber zum Leidwesen des Delinquenten gehörten diese beiden Personen am Auto zufällig zum Sicherheitsdienst des Bürgermeisters von São Paulo, der bei uns seit Kurzem direkt um die Ecke wohnt. Diese zögerten keine Sekunde und schossen drauf los. Der Moped-Fahrer flüchtete und der Beifahrer schleppte sich angeschossen noch bis vor unsere Haustür. 
Nun ist diese Geschichte sicher nicht das, was Freunde und Familie in Deutschland gern hören und es geht hier auch nicht um die Darstellung reißerischer Geschichten. Sondern darum, wie die Sache hier so ist. 
1. Es gibt Überfälle auf der Straße und nach fast drei Jahren in Brasilien ohne kritische Situation ist so ein bewusstseinsschärfendes Ereignis vielleicht ein Aufmerksamkeitsschärfer.    
2. Die Prominenz in der Nachbarschaft gepaart mit einem solchen Vorfall erhöht die Sicherheit zunächst einmal.
3. Dass die Geschichte so dramatisch endet ist aus Sicht des Opfers ein trauriger Zufall, weil sie einfach an die falschen geraten sind. Sie ist aber kein Spiegel der alltäglichen Gewalt auf den Straßen Brasiliens, wie man eventuell schließen könnte.
Kurzum: für uns ändert sich nichts an der Sicherheitslage, wenn wir uns nun auch wieder etwas aufmerksamer durch die Straßen bewegen. Zudem ist die Situation hier in SP noch vergleichsweise entspannt im Vergleich zu Rio zum Beispiel. 

Apropos Rio. Wer kennt sie nicht, "A Maravilhosa". Viel zitiert, viel Zauber, viel Elend. Viele halbnackte Menschen, viele schwer bewaffnete Polizisten. Absurdes Kino bei uns vor dem Hotel, welches von 90% LGBTQ+ Mitarbeitern geführt wird. Morgens lief eine Kohorte von 20 Muskel-Polizisten einer Sondereinheit, mit einem Fahnenträger und Sturmgewehren joggend und mit American-Soldier-Drill-Gebrülle am Hotel vorbei und offenbarte eine interessante Erkenntnis: wir kennen kaum Orte außerhalb Brasiliens, an denen LGBTQ+ so offen ausgelebt wird. Und das in einem so patriarchalischem Land mit ausgeprägter Machismo-Kultur und so einem Präsidenten. 

Ipanema. Wer kennt ihn nicht. Viel zitiert, viel besungen. Und eigentlich ist der Strand wirklich schöner als Copacabana, auch wegen des phänomenalen Bergpanoramas. Abends dann mit phänomenalen Bands und beschwingten Menschen, die Corona trotz der auch hier angekommenen Delta-Variante kurz vergessen lassen und ein Gefühl dafür geben, wie es hoffentlich irgendwann wieder sein wird. So wie man auch kurz vergisst, dass das wunderschöne Lichtermeer im Hintergrund am Berghang eigentlich eine Favela ist und dort vielleicht die nächsten Jungs überlegen, wo sie morgen mit dem Moped für ihren Blitzüberfall hinfahren, in der Hoffnung, nicht an den falschen zu geraten...
Solchen Gedanken hängt man nach, bei Samba und Bossa Nova Live am Strand, auf einem Schleier sanfter Zufriedenheit, aber auch Melancholie. 

Zurück in SP ging es dann auch erstmal etwas turbulenter zur Sache im brasilianischen Frühling bei durchschnittlich 18 Grad und Garoa, dem für SP typischen Nieselregen. Zunächst einmal musste das Abitur über die Bühne gebracht werden, bei dem die Schule immer in heller Aufregung ist. 
Parallel dazu liefen die Planungen für die Eröffnung unseres Denkmals, mein persönliches Highlight der bisherigen beruflichen Laufbahn. Coronabedingt waren natürlich nur begrenzte Teilnehmerzahlen erlaubt, aber qualitativ war die Gästeliste doch interessant. Die Chefin der Zentralstelle für Auslandsschulwesen, der deutsche Generalkonsul von SP, Pressevertreter aus Brasilien und sogar Vertreter der Militärpolizei der Stadt. Letzteres war sehr interessant, denn das Verhältnis zwischen Polizei  und Zivilgesellschaft ist ziemlich gespalten, da die Polizei weniger "Freund und Helfer" als vielmehr "autoritärer Ordnungshüter" ist. Aber die beiden Vertreter waren total begeistert und interessiert an unserer Ausdeutung von Demokratie und Diktatur und es hilft, Menschen verschiedenster Bereiche und Prägungen zusammenzubringen. Das Highlight des Abends war aber der Auftritt von Sra. Margot Rotstein. Als sechsjährige erlebte sie die Reichspogromnacht in Berlin am 9. November 1938 mit. Auf den Tag genau 83 Jahre später geht sie gestützt vom deutschen Generalkonsul durch unser Denkmal hindurch von der dunklen Seite der Vergangenheit in die helle, bunte Seite der Demokratie und Diversität. Ein besonderer Moment für alle Anwesenden und ein würdiger Abschluss eines besonderen Projektes.

Parallel zu den oben genannten Ereignissen mussten wir nebenbei noch in ein neues Haus ziehen. Tolle Wurst (oder "Toller Salat", für die Veggis). Der Zeitpunkt war total miserabel und das Haus verlassen wollten wir gleich gar nicht. Am Ende hatten wir innerhalb von 4 Wochen dann ein neues Domizil nur 300 Meter vom alten Haus entfernt und es ist sogar noch schöner als das alte. 

Sportlich gesehen haben wir unseren Stausee direkt vor der Haustür etwas intensiver genutzt mit Wakeboard usw. Und auch Musik darf nicht zu kurz kommen, weshalb wir ein kleines Bandprojekt mit Mathias, seiner Frau Tati und Charles am Laufen haben. Lena und Emily sind bereits in der Metamorphose hin zum Pferd im fortgeschrittenen Stadium. Emily springt mittlerweile 80 cm (hoch, nicht weit) und hatte kürzlich bei einem Wettkampf von 78 Teilnehmern den unglaublichen 2. Platz erreicht. Und Julius macht erfreulicherweise seit einem halben Jahr zusammen mit Emily Voltigieren und beide haben auch schon an Wettkämpfen teilgenommen. Ich mache derweil noch Capoeira, was sehr intensiv und richtig gut ist. 
Und neben derlei Aktivitäten hat man mittlerweile auch wieder viel mehr Möglichkeiten kultureller Zerstreuung. Denn Brasilien ist vom "Sorgenkind zum Musterschüler" geworden, was die Pandemiebekämpfung angeht. SP ist sogar "Weltimpfhauptstadt". Und so geht man dann zur Biennal SP, ins Theater, ins Stadion zum FC Sao Paulo, zum Formel 1 oder auch mal in Electro-Clubs. Wir haben uns sogar zum "Oktoberfest" überreden lassen, mein Erstes überhaupt und dann gleich in Brasilien.

Apropos neu: Wir haben einen neuen Kater namens Laranja. Der ist uns am Pferdestall zugelaufen, hat sich mit Kater Hutschi (eigentlich Rudi) auch ganz gut angefreundet und so können beide demnächst auf das Haus aufpassen während wir in Deutschland sind. In diesem Sinne: Bis bald, Frohe Weihnachten, Guten Rutsch, Frohes Essen, Gute Laune,...

Live-Jazz im Wohnzimmer

Magier in Rio

Streetart in Rio

Streetlife in Rio

Streettreppe in Rio

Sonnenuntergangsstimmung in Ipanema

Baile na praia


Bundestagswahl auch in Brasilien


Zu Gast beim Generalkonsul

Garota de Guarapiranga

Abi-Verleihung

Neues Info-Schild am Denkmal

Der Kultur-Konsul (heute Redenschreiber der Außenministerin)
 und der Generalkonsul

Militärmarsch vs. Samba zur Eröffnung

Ehrengäste

Dunkle Seite der Vergangenheit...

Helle Seite der Gegenwart

Die jüdische Zeitzeugin der Reichsprogromnacht 1938
durchschreitet mit dem Generalkonsul das Denkmal 


Das Kernteam: Ivi (Kunstkritiker in SP), Ricardo (Kurator),
ich (nur so), Luis (Architekt), Mathias (mein Team-Partner)


Unser schulisches Lebensprojekt ist vollendet.

Party zu Hause


Im Jazz-Club irgendwo in SP.

Zwischendurch ein Spiel für die Nationalmannschaft.


Rio familiär

Frohsinn unter den Augen Cristo

In der Vogelperspektive gewinnt Rio...

...deutlich gegen SP

Voltigier-Champions

Spring-Champions...

... mit coolem Klamottenstil

Stolze Mutter, stolze Tochter, stolzer Trainer
(stolzer Vater und Bruder hinter der Kamera)



Dienstag, 24. August 2021

Viermal Urlaub, bitte! Part 4

Chapada Diamantina, Bahía

Ja, schon wieder Bahía. Was für ein Bundesstaat. Letztes Jahr Salvador und die perfekten Strände von Boipeba, vor zwei Wochen Surfen in Itacaré und nun gings ins "Diamantengebirge" im Inland. Auch hier gibt es nette kleine Städte mit hübschen Häuschen und Repräsentativbauten, die von einer Blütezeit durch Diamanten zeugen. Es ist schon verrückt, welchen Aufwand die Menschen betreiben, um an dieses Steinchen zu gelangen. Felsen schürfen, in ebendiesen Felsen wohnen und bei all dem die Schönheit der Umgebung wahrscheinlich nicht wahrnehmen können. Dabei gibt es hier so wunderschöne und bisweilen absurde Felsformationen, Flussläufe mit tiefrotem Wasser und natürlichen Felsenrutschen, dazu natürlich unzählige Höhlen. Und allein die stundenlange Fahrt über die alten Trassen, über die das Land einst erschlossen wurde (mit all seinen Vor- und Nachteilen) sind sehr schön.

Auf alles!

Lençois (=Laken): eine hübsche kleine Diamentenstadt.
Bekam den Namen von hunderten von Tüchern am Fluss,
die die Garimpeiros (Diamentensucher) als Sonnenschutz nutzten.


Lençois

Lençois

Brasilianische Küche

Farben und Formen

Fliegendes Kind

Formen und Farben

Chapada Diamantina

Herz aus Stein

Was für ein Geäst

Schlucht im Wald

Interessant, was man hier alles nicht darf

Cave Family

Lena

possierliches Städtchen



Capuccino mit 10.000 kcal

Schönes Steinhaus an der Klippe

Alte Behausung der Diamantensucher


Außenausstatter

Frau vor Friedhof

Klettern trotz Höhenangst

Sehr gute Sicht

Felsenrutsche